BAG aktuell: Observation eines Arbeitnehmers durch Privatdetektiv
In seiner Entscheidung vom 19. Februar 2015 hat sich der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer durch einen Privatdetektiv beobachten lassen darf. Danach ist Voraussetzung, dass der Arbeitgeber einen auf konkrete Tatsachen gestützten Verdacht hat, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nur vorgetäuscht ist. Fehlt es an einem solchen Verdacht, ist die Überwachung rechtswidrig. Die rechtswidrige Überwachung stellt einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar. Dies wiederum rechtfertigt ein Schmerzensgeld zugunsten des Arbeitnehmers. Im gegenständlichen Fall waren es immerhin € 1.000,00.
Konkrete Tatsachen sind abzugrenzen von dem reinen Verdacht des Arbeitgebers. In tatsächlicher Hinsicht dürfte es dem Arbeitgeber regelmäßig schwer fallen, diese konkrete Tatsachen darzulegen. Anzeigen von Dritten, z.B. durch Denunziation eines Kollegen, dürften allerdings darunter fallen. Der Wortlaut der bislang nur als Pressemitteilung vorliegenden Entscheidung lautet:
Ein Arbeitgeber, der wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Für dabei heimlich hergestellte Abbildungen gilt dasselbe. Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründen.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit Mai 2011 als Sekretärin der Geschäftsleitung tätig. Ab dem 27. Dezember 2011 war sie arbeitsunfähig erkrankt, zunächst mit Bronchialerkrankungen. Für die Zeit bis 28. Februar 2012 legte sie nacheinander sechs Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, zuerst vier eines Facharztes für Allgemeinmedizin, dann ab 31. Januar 2012 zwei einer Fachärztin für Orthopädie. Der Geschäftsführer der Beklagten bezweifelte den zuletzt telefonisch mitgeteilten Bandscheibenvorfall und beauftragte einen Detektiv mit der Observation der Klägerin. Diese erfolgte von Mitte bis Ende Februar 2012 an vier Tagen. Beobachtet wurden ua. das Haus der Klägerin, sie und ihr Mann mit Hund vor dem Haus und der Besuch der Klägerin in einem Waschsalon. Dabei wurden auch Videoaufnahmen erstellt. Der dem Arbeitgeber übergebene Observationsbericht enthält elf Bilder, neun davon aus Videosequenzen. Die Klägerin hält die Beauftragung der Observation einschließlich der Videoaufnahmen für rechtswidrig und fordert ein Schmerzensgeld, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt hat. Sie hält 10.500 Euro für angemessen. Die Klägerin habe erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten, die ärztlicher Behandlung bedürften.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 1.000,00 Euro stattgegeben. Die Revisionen beider Parteien blieben vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Observation einschließlich der heimlichen Aufnahmen war rechtswidrig. Der Arbeitgeber hatte keinen berechtigten Anlass zur Überwachung. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten, noch durch eine Änderung im Krankheitsbild oder weil ein Bandscheibenvorfall zunächst hausärztlich behandelt worden war. Die vom Landesarbeitsgericht angenommene Höhe des Schmerzensgeldes war revisionsrechtlich nicht zu korrigieren. Es war nicht zu entscheiden, wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wenn ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2015 – 8 AZR 1007/13 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11. Juli 2013 – 11 Sa 312/13 –