BAG aktuell: Leiharbeitnehmer und Schwellenwerte
Aus der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts resultierte das geflügelte Wort „Leiharbeitnehmer wählen zwar, aber zählen nicht“. Gemeint war, dass die Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb bei der Berechnung von Schwellenwerten nicht zu berücksichtigen sind. Der Gesetzgeber macht die Anwendung von gesetzlichen Regelungen zum Teil von der Größe des Betriebs und damit von der Anzahl der Beschäftigten abhängig. Und dabei hat das BAG früher die Leiharbeitnehmer bewusst nicht mitgezählt.
Von dieser langjährigen Rechtsprechung ist das BAG 2011 erstmals abgewichen, damals im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Nachteilsausgleiches nach § 113 BetrVG. Das BAG formulierte in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 2011 (1 AZR 335/10) den Leitsatz:
Bei der Ermittlung der maßgeblichen Unternehmensgröße in § 111 Satz 1 BetrVG sind Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind, mitzuzählen.
In zwei weiteren Entscheidungen positionierte sich das BAG zu vergleichbaren Problematik ebenfalls neu. Im Urteil vom 24. Januar 2013 (2 AZR 140/12) lautet der aussagekräftige Leitsatz:
Bei der Bestimmung der Betriebsgröße iSv. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG sind im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht.
Im Beschluss vom 13. März 2013 (7 ABR 69/11) hatte sich das BAG mit § 9 BetrVG zu beschäftigen. Diese Regelung gibt vor, wie groß ein Betriebsrat ist. Das wiederum ist abhängig von der Anzahl der Beschäftigten. Und auch hier folgte das BAG seiner geänderten Rechtsprechung:
Im Entleiherbetrieb regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer sind bei der Größe des Betriebsrats grundsätzlich zu berücksichtigen.
Nun hat der siebte Senat mit Beschluss vom 4. November 2015 (7 ABR 42/13) die Rechtsprechung konsequent fortgeführt. Diesmal ging es um Mitbestimmung auf Unternehmensebene nach dem Mitbestimmungsgesetz. In der bislang nur vorliegenden Pressemitteilung heisst es:
Wahlberechtigte Leiharbeitnehmer auf Stammarbeitsplätzen sind für den Schwellenwert von in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmern mitzuzählen, ab dessen Erreichen die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) grundsätzlich nicht mehr als unmittelbare Wahl, sondern als Delegiertenwahl durchzuführen ist.
Die Wählbarkeit von Leiharbeitnehmern resultiert aus § 7 S. 2 BetrVG.