ArbG Berlin aktuell: Anforderungen an ein Betriebliches Eingliederungsmanagement
Das Arbeitsgericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 2015 die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Anforderungen an ein funktionierendes Betriebliches Eingliederungsmanagement konkretisiert. In seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2009 (2 AZR 400/08) hat das BAG folgende zentrale Feststellungen getroffen:
Ein betriebliches Eingliederungsmanagement genügt dann den gesetzlichen Mindestanforderungen, wenn es
• die zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen einbezieht,
• keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausschließt
• und die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge sachlich erörtert werden.
Aus der Pressemitteilung des Arbeitsgerichts Berlin sind die Konkretisierungen ersichtlich (Anmerkung: Die Sache ist berufungsfähig und Stand heute noch nicht rechtskräftig):
Ist ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig krank, hat der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagements (BEM) mit dem Ziel der Wiedereingliederung des Arbeitnehmers durchzuführen, § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Hierzu hat der Arbeitgeber im Rahmen eines organisierten Suchprozesses zu prüfen, ob und ggf. in welcher Weise der Arbeitnehmer (wieder) beschäftigt werden kann. Zu diesem Suchprozess gehören das Gespräch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, u.U. die Einbeziehung von externem Sachverstand und – in dafür geeigneten Fällen – die stufenweise Wiedereingliederung des Arbeitnehmers im Rahmen des sog. „Hamburger Modells“. Zu prüfen sind mögliche Änderungen der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte als auch eine mögliche Umgestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit. Wird ein derartiges BEM nicht durchgeführt, kann eine ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung unwirksam sein. Dies hat das Arbeitsgericht Berlin unter Konkretisierung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden.
Der Arbeitnehmer war wegen einer Tumorerkrankung länger als ein Jahr arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen dieser Fehlzeit und der ihm dadurch entstehenden Kosten; er ging dabei davon aus, dass der Arbeitnehmer wegen der Schwere seiner Erkrankung nicht mehr zurückkehren werde.
Das Arbeitsgericht hat die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt. Der Arbeitgeber habe nicht hinreichend im Rahmen eines BEM geprüft, warum der Arbeitnehmer auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden könne, warum ein Einsatz nach leidensgerechter Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes ausgeschlossen und warum auch eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz mit einer anderen Tätigkeit nicht möglich sei. Die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gegeben.
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16.10.1215, Aktenzeichen 28 Ca 9065/15