Alaaf und Helau – 2020
Die närrischen Tage stehen bevor! Der Straßenkarneval beginnt diese Session am 20.02.2020 (Weiberfastnacht) und endet am Aschermittwoch gut eine Woche später. In den Karnevalshochburgen Köln, Mainz und Düsseldorf herrscht ein Ausnahmezustand, der auf viele Ortsfremde – gelinde gesagt – wunderlich erscheint.
Auch wenn in dieser Zeit hier im Rheinland fast ein Stillstand der Rechtspflege eintritt, müssen sich spätestens nach Wiedereintritt eines klaren Kopfes die Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte mit Fällen aus der karnevalesken Zeit beschäftigen, so z.B., ob Bonbons als Wurfmaterial beim Rosenmontagsumzug Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche rechtfertigen, wenn Zuschauer getroffen werden. Wie es im Arbeitsrecht aussieht, sollen die nachstehenden Probleme exemplarisch darzustellen versuchen.
Wie ist zum Beispiel zu reagieren, wenn an Weiberfastnacht in Betrieben den männlichen Vorgesetzten oder Kollegen durch Mitarbeiterinnen die Krawatte abgeschnitten wird? Rechtfertigt dies eine Abmahnung oder gar eine verhaltensbedingte Kündigung? Oder macht sich die weibliche Belegschaft strafbar (Sachbeschädigung) und schuldet möglicherweise sogar Schadensersatz? Zumindest in den Karnevalsmetropolen ist dieser Brauch so fest verankert, dass krawattenabschneidende Arbeitnehmerinnen keine Sanktionen zu befürchten brauchen. Schließlich ist der Brauch bekannt, die meisten männlichen Arbeitnehmer verzichten an diesem Tag bewusst auf das Tagen einer Krawatte oder schmücken sich mit ausgedienten meist sehr breiten Exemplaren. Juristisch ausgedrückt ist dieses Tun der Frauen „sozialadäquat“. In der juristischen Literatur wird eine stillschweigende Einwilligung der männlichen Opfer unterstellt (Besgen, in. BB 2008, S. 275). Das Amtsgericht Essen sah dies etwas anders. Obwohl räumlich nicht allzu weit von Köln bzw. Düsseldorf entfernt, scheint die Toleranz- und Humordistanz um ein vielfaches größer. Denn das AG Essen hat eine Arbeitnehmerin zum Ersatz der durch sie zerstörten Krawatte eines Kunden in einem Reisebüro verurteilt (AG Essen, NJW 1989, S. 399). Dessen ungeachtet dürfte aber auch dieser Vorfall keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Möglicherweise müsste hierüber aber neu entschieden werden, wenn eine Arbeitnehmerin trotz mehrfacher vorheriger vergeblicher Abmahnungen ihrer Brauchtumspflege kein Ende bereitet.
Dürfen die Arbeitnehmer an den tollen Tagen im Kostüm zur Arbeit erscheinen? In vielen Betrieben ist dies sogar üblich – selbst in öffentlich-rechtlichen Sparkassen finden sich verkleidete Narren. Hier, wie so oft, ist es eine Frage des Einzelfalls. Der Arbeitgeber bestimmt die Kleiderordnung und kann verlangen, dass sich die Mitarbeiter branchenüblich kleiden (so BAG, NZA 2003, S. 483ff. – es ging um die Kündigung einer Verkäuferin wegen Tragens eines – islamischen – Kopftuches). Narrenfreiheit ist im wahrsten Sinne des Wortes also nicht gegeben, auch nicht in den Zentren des Frohsinns. Wenn Schutzkleidung getragen werden muss, dann erscheint eine vollständige Kostümierung z.B. als Lappenclown offenkundig unpassend und unangemessen. Der anwaltliche Rat an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würde lauten, den Umständen entsprechend eher zurückhaltend in der Wahl der Kostümierung zu sein. Arbeitgebern wäre zu raten, bei Ausrutschern einiger weniger vom Ausspruch einer Abmahnung Abstand zu nehmen und es möglicherweise bei einer weniger einschneidenden Rüge zu belassen. In diesem Zusammenhang ist soweit ersichtlich bislang die Frage ungeklärt, inwieweit der Arbeitgeber die Mitarbeiter verpflichtend anweisen kann, bunte Kostümierungen zu tragen und ob dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin Ungemach droht, wenn sich dieser Weisung widersetzt wird. Aber vielleicht ist in den kommenden Monaten mit einer entsprechenden Entscheidung zu rechnen.
Haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht, während der Arbeitszeit an den dollen Tagen Radio zu hören? Das hessische Landesarbeitsgericht hat zu dieser Problematik eine verhaltensbedingte Kündigung für unwirksam erklärt. Dem Fall lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Arbeitnehmer in seinem ausschließlich von ihm genutzten Büro an Rosenmontag Radio hörte, obwohl es nicht betriebsüblich war (LAG Hessen, Urteil vom 16.06.1989, 14 Sa 895/87). Nach Auffassung der Richter rechtfertige dieses Verhalten allenfalls eine Abmahnung, der Ausspruch der Kündigung sei jedenfalls unverhältnismäßig. Aber auch diese Entscheidung ist kein Freibrief. Denn wenn das Radiohören das Arbeitsklima, die Kollegen oder auch Kunden belästigt, kann der Arbeitgeber ein Verbot aussprechen. Ob in der karnevalistischen Diaspora ein vergleichbares Urteil ergangen wäre, muss indes ernsthaft in Zweifel gezogen werden.
Ab Aschermittwoch verzeichnen viele Arbeitgeber einen signifikanten Anstieg des Krankenstandes. Wie verhält es sich mit der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall? Im Grunde genommen gelten für dieses Aschermittwochsyndrom keine Besonderheiten. Es kommt immer darauf an, ob der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin verschuldet wurde. Hiervon ist nicht auszugehen, wenn Erkältungskrankheiten vorliegen, auch wenn diese durch den Besuch des Rosenmontagsumzugs bei eisiger Kälte verursacht wurden. Da das BAG hinsichtlich seiner Rechtsprechung bei Sportunfällen zwischen gefährlichen und nicht gefährlichen Sportarten unterscheidet, jedoch bislang keine Sportart als gefährlich eingestuft hat (Dörner, in Erfkomm ArbR; § 3, Rn. 26), sind selbst Verletzungen von Funkemariechen beim Auftritt im Karneval nicht verschuldet und lösen damit einen Entgeltfortzahlungsanspruch aus. Anders verhält es sich bei Schlägereien. Während die Beteiligung an einer handgreiflichen Auseinandersetzung an für sich noch kein Verschulden darstellt, kann der Entgeltfortzahlungsanspruch entfallen, sofern der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Rauferei selbst begonnen oder aber provoziert hat.
Bei aller Juristerei sollte der Spaß an der Freude nicht vergessen werden! In diesem Sinne:
Kölle Alaaf!
Rechtsanwalt Thomas Klaes
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Köln
out of office an Karneval